Einem EuGH-Urteil zufolge haben Bahnreisende auch bei Zugverspätungen durch Unwetter oder Streiks ein Recht auf Entschädigung. Die Deutsche Bahn muss ihre Beförderungsbedingungen anpassen.
In Zukunft müssen Eisenbahnunternehmen auch bei Zugverspätungen durch höhere Gewalt Reisenden eine Fahrpreisentschädigung zahlen. Dies hat der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entschieden.
In seinem Urteil bezieht sich der EuGH auf eine Beschwerde der österreichischen Bundesbahn. Streitgegenstand war eine Klausel in ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen, in der sie eine finanzielle Entschädigung bei Zugverspätungen durch höhere Gewalt ausschloss. Die österreichische Bahnaufsicht hatte daraufhin die Eisenbahngesellschaft dazu verpflichtet, die Klausel zu streichen. Diese verwies jedoch auf die völkerrechtlich bindenden Einheitlichen Rechtsvorschriften im Eisenbahnverkehr, wonach der Beförderer nicht aufgrund von Umständen haftet, die außerhalb des Eisenbahnbetriebs liegen.
Verspätungen müssen in jedem Fall entschädigt werden
Seit der EU-weiten Neuregelung der Fahrgastrechte vom Juli 2009 muss ein europäisches Bahnunternehmen – also auch die Deutsche Bahn – für Verspätungen ab 60 Minuten dem Reisenden 25 Prozent des Fahrpreises erstatten, ab zwei Stunden mindestens 50 Prozent. Ausnahmeregelungen für Verspätungen, die durch Unwetter oder Streiks verursacht wurden, sind dabei nicht vorgesehen.
Der EuGH unterscheidet in seinem Urteil zwischen dem Anspruch der Fahrgäste auf Schadensersatz und lediglich einer Kompensation des Fahrpreises bei Zugverspätungen. Im ersten Fall sei der Beförderer bei Verspätungen durch höhere Gewalt von seiner Entschädigungspflicht befreit. Die pauschal berechnete Fahrpreiskompensation sei jedoch eine Entschädigung für den Fahrgast, der eine im Beförderungsvertrag festgelegte Dienstleistung nicht vollumfänglich erhalten habe – und muss somit gezahlt werden.
Positives Echo auf Urteil
"Ein EuGH-Urteil in dieser Sache war dringend fällig und wird auch für Deutschland richtungsweisend sein", sagte der SPD-Verkehrsexperte und EU-Abgeordnete Ismail Ertug. Bei mehr als zwei Dritteln aller Züge mit mehr als fünf Minuten Verspätung in Deutschland sei dies schon lange nicht mehr tragbar: "Das Urteil übt Druck auf die Bahn aus, ihre Verspätungstradition endlich aufzugeben […]", so Ertug.
Auch der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im EU-Parlament, Michael Cramer, begrüßt das Ergebnis: "Heute ist ein guter Tag für die Fahrgäste der europäischen Eisenbahnen. Denn einmal mehr stärkt der Europäische Gerichtshof ihre Rechte. In Zukunft werden sie im Falle höherer Gewalt nicht mehr die Dummen sein."
Neben Österreich muss jetzt auch die Deutsche Bahn ihre Beförderungsbedingungen anpassen. Andernfalls droht eine Klagewelle am EuGH. In einer Stellungnahme verspricht die Deutsche Bahn, die Entscheidung des EuGH unverzüglich umzusetzen. Auch wies sie darauf hin, dass schon in der Vergangenheit die DB von der Möglichkeit, sich auf einen derartigen Haftungsausschluss zu berufen, eher zurückhaltend Gebrauch gemacht hatte – aus Kulanz gegenüber den Kunden.
Eine Ausweitung der Regelungen auch auf den Flug-, Schiffs- und Busverkehr lehnten die Richter in Luxemburg jedoch ab: Die unterschiedlichen Beförderungsformen seien hinsichtlich ihrer Nutzungsbedingungen nicht austauschbar.
kagl
Links
EuGH: Pressemitteilung Nr. 119/13 (26. September 2013)
EuGH: Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache C-509/11 (26. September 2013)