Man erinnert sich an den Duschkopf, der Wasser und Heizenergie sparen sollte – die halbe Republik lachte sich krumm über das, was „diesen Idioten in Brüssel“ alles so einfällt. Nun die Kaffeemaschinen, wie verschiedene Medien zu berichten wissen. In der Tat: In Zeiten, da die Ukraine im Chaos unterzugehen droht, die Europäer zusehen und niemanden zur Vermittlung in die Ukraine schicken, mutet eine Regelung des Energieverbrauchs von Kaffeemaschinen nahezu aberwitzig an. Als hätten wir keine größeren Probleme.
Aber wir haben auch ein Klimaproblem, wie der Weltklimarat seit so vielen Jahren immer wieder und wieder bestätigt, das wir lösen könnten, wenn wir nur als Weltgemeinschaft zusammenstünden. Und auch da fragt man sich besorgt, wie das gehen soll, wenn es schon die Russen und die Ukrainer nicht schaffen, zusammenzustehen, von den Libyern oder Syrern und den vielen anderen, die sich in Konflikten und Krieg verbissen haben, ganz zu schweigen.
Zurück zu den Kaffeemaschinen. Tatsächlich ist die europäische Regelung dazu seit dem 23. August 2013 in Kraft. Wie schön, dass wir das jetzt erst in Deutschland bemerken. Guten Morgen, Deutschland!
Aber der Reihe nach.
2005 wurde ein europäisches Rahmengesetz verabschiedet, die sogenannte Öko-Design-Richtlinie. Haushaltsgeräte gehören ganz eindeutig zum Geltungsbereich der Richtlinie. Sie schreibt generell vor, dass alle Geräte so zu funktionieren haben, dass Stand-by und Betriebsdauer so kurz wie möglich gehalten werden sollten. Das wurde später gesetzlich von der Kommission präzisiert (1275/2008).
Die Öko-Design-Richtlinie 2005 war außerdem innovativ, denn sie sah vor, dass nicht der Gesetzgeber den Handlungsvorrang hat, sondern die Industrie, zum Beispiel durch den Abschluss freiwilliger Abkommen. Das wurde aber leider schon 2009 wieder aufgeweicht.
Auf der Grundlage der Öko-Design-Richtlinie hat die Kommission in Aktionsplänen die Produkte zu listen, bei denen zu entscheiden ist, wie weiter gehandelt werden sollte – ob freiwillig, über Standardisierung oder über den schwerwiegenden, den gesetzgeberischen Eingriff.
Zu den Kaffeemaschinen, sogenannter LOT 25, gab es 2011 insgesamt 8 Studien, die von der Kommission in Auftrag gegeben wurden und die man – wenn man hinreichend Durchhaltevermögen hat und alles über Kaffeemaschinen lernen möchte, was man niemals im Leben darüber wissen wollte – alle in Englisch nachlesen kann.
Das deutsche Netzwerk zu dieser Richtlinie ist in dieser Hinsicht sehr transparent: http://www.eup-network.de/product-groups/preparatory-studies/completed/.
Selbstverständlich kam die achte Studie zu dem Schluss, dass angesichts des Charakters der Kaffeemaschine als Massenprodukt ein neuer Standard nicht ausreicht, sondern sich eine gesetzliche Reglung lohnt, obwohl die gleichen Verfasser in ihrer ersten Studie sehr schön dargelegt hatten, dass andere Länder den Weg der Standardisierung beschritten haben (USA, Südkorea, Schweiz, Russland, Australien) oder mit freiwilligen Umwelt-Labeln arbeitet (Deutschland, Schweiz, Frankreich, Südkorea, die Industrie).
Das weitere Vorgehen zu Kaffeemaschinen und anderen Produkten wurde in den Jahren 2011 und 2012 – wie rechtlich vorgeschrieben – konsultiert. Bemerkenswert ist das Schweigen der Bundesrepublik Deutschland, die zu dem Vorhaben – anders als Italien, die Niederlande, Belgien und Schweden – gar nichts zu sagen wusste, weder schriftlich noch mündlich. Davon kann man sich wunderbar auf der folgenden Webseite überzeugen: http://www.eceee.org/ecodesign/products/Lot25_non_tertiary_coffee_machines.
Auch in einer Sitzung am 20. Januar 2012 in Brüssel, auf der die Mitgliedsstaaten, aber auch Industrie-, Umwelt- und Verbraucherverbände vertreten waren, spielten die Kaffeemaschinen keine Rolle. Ihr Verlauf ist ebenfalls nachzulesen (http://ec.europa.eu/enterprise/policies/sustainable-business/documents/eco-design/working-plan/files/minutes_200112_cf_ecodesign_en.pdf).
Schweden zum Beispiel sprach sich dort nachdrücklich für eine Regelung zugunsten wassersparender Duschköpfe aus und verwies auf entsprechende Studien, aber auch auf den hohen Wasserverbrauch in Südeuropa, was sich die Südeuropäer flugs verbaten. Die Deutschen dagegen brachten bei den Duschköpfen die negative öffentliche Meinung in Deutschland ins Spiel und meinten, man sollte deshalb dort lieber das Energieeffizienz-Label verwenden und auf den mündigen Verbraucher setzen. Über die Kaffeemaschinen hat in dieser Sitzung niemand geredet.
Auch die Kommission war in ihrem Arbeitsprogramm 2012-2014 offenbar nicht völlig entschlossen, wie es weitergehen sollte in der Kaffeemaschinenfrage. Das Kästchen „Wie weiter?“ blieb leer. Aber dann, 2013, kam die Lösung, die sich schon in den Konsultationen 2011/12 angedeutet hatte und die auch für Industrie akzeptabel war: eine gesetzliche Regelung zu den Stand-by- und Switch-off-Zeiten, die übrigens nicht nur für Kaffeemaschinen, sondern auch für vernetzte Fernseher und häusliche IT-Netzwerke gilt http://www.eceee.org/ecodesign/products/Lot26_networked_standby_losses/REG_801-2013_Standby_losses.pdf.
Laut Europäischer Kommission ist die Kaffeemaschine ein zentraler Punkt im europäischen Umweltschutzprogramm: Die EU ist schließlich Weltmeister im Kaffeeverbrauch mit 31 Prozent. Gute 50 Milliarden Liter Kaffee schütten die EU-Bürger jährlich in sich herein, und das Sparpotenzial ist dementsprechend grandios. Wie so oft bei Schätzungen der Kommission ist auch diese mit Vorsicht zu genießen, denn in der EU wird nicht allein zu Hause gebrüht, sondern Kaffee auch gern im Café oder anderswo erworben, wogegen sich die neuen Vorgaben lediglich auf private Geräte beschränken.
Dennoch wäre es falsch, mit dem Finger allein auf Brüssel zu zeigen und sich jetzt über die Kaffeemaschinenregulierung zu mokieren. Stand-by- und Switch-off-Vorgaben sind grundsätzlich vernünftig und sparen dem Besitzer elektrischer Geräte bares Geld. Vorausgesetzt, man redet darüber, nimmt die Verbraucher ernst und erwartet nicht, dass sich jeder Einzelne durch das Internet gräbt, um herauszufinden, wie alles zusammenhängt.
Ob die gefundene Regelung wirklich sein musste und wirklich umweltfreundlich ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die wenigen Einlassungen der Mitgliedsstaaten in den Konsultationen 2011/2012 deuten eher auf frustrierten Aktionismus hin, die betroffene Industrie gab sich ganz gelassen.
Die französischen Vorgaben für das freiwillige französische Umweltlabel für Kaffeemaschinen sind jedenfalls strikter, was die Abschaltungszeit betrifft, während der Blaue Engel in Deutschland an diesem Punkt großzügiger ist. Ein moderner europäischer Standard (der freiwillig anzuwenden wäre) ist immer noch nicht fertig. Und schließlich hat es jeder Verbraucher selbst in der Hand, sich für ein Gerät zu entscheiden, dem die Brüsseler Vorgaben gänzlich egal sind und das sich demzufolge sofort abschaltet, wenn der Kaffee durchgelaufen ist.
Eine Öko-Design-Regelung zu den Kaffeemaschinen (und anderen Geräten) kann die Kommission nicht autonom treffen. Mitgliedsstaaten und Europäisches Parlament müssen zunächst zustimmen. Was sie auch getan haben.
Der große Sündenfall der EU besteht nicht darin, sich über den Energieverbrauch von Kaffeemaschinen (oder Staubsaugern oder Duschköpfen) Gedanken zu machen. Das machen auch die USA oder Australien. Er besteht darin, dass heute in Brüssel oder anderswo Karrieren davon abhängen, an immer mehr europäischer Rechtsetzung statt an der Förderung freiwilliger Initiativen und an einer drastischen Rechtsentrümpelung zu arbeiten. Er besteht darin, Verbraucher nicht ernst zu nehmen, die schon heute nicht nur auf den Preis, sondern auch auf Qualität und Umweltbilanz achten.
Wie soll da jemand glauben können, dass sich die EU nur noch auf Großes konzentrieren will? Wer entscheidet, was groß ist? Und schließlich gibt es einen europäischen Rechtsbestand, der munter immer weiteres Recht heckt, solange niemand die Notbremse zieht. Die liegt in den Händen der Europäischen Kommission.
Die Autorin
Dr. Petra Erler ist Geschäftsführerin der „The European Experience Company GmbH“ in Potsdam und ehemalige Kabinettschefin des damaligen EU-Kommissars Günter Verheugen in Brüssel.