Datenschutz in der Welt von Big Data

DISCLAIMER: All opinions in this column reflect the views of the author(s), not of EURACTIV Media network.

Ein Blick in den Blue Gene Q Supercomputer an der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) in der Schweiz. Mit Unterstützung der EU werden hier ungeheure Datenmengen zur Erforschung des menschlichen Gehirns ausgewertet. Foto: dpa

Die „Big-Data-Technologie“ zur Auswertung riesiger Datenmengen ist dabei, unser Leben zu revolutionieren. Die Chancen für Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft sind enorm – die Gefahren sind es auch. Ein Beitrag von John Podesta, dem Berater von US-Präsident Barack Obama.

Die längste Zeit der Menschheitsgeschichte konnten Informationen sich nicht schneller fortbewegen als ein Reiter auf einem Pferd oder ein Schiff. Heute gehen Informationen in Sekundenschnelle um die Welt. Das Internet war ein Segen für den internationalen Handel, für den Wissensaustausch und den Aufbau von grenzüberschreitenden Beziehungen. Von den Smartphones in unseren Taschen bis hin zu den Navigationssystemen in unseren Autos: Die Welt ist heute stärker vernetzt als je zuvor – und wir selbst produzieren immer mehr Daten über unsere Aktivitäten, Bewegungen, Vorlieben und Beziehungen.

Diese wachsenden Datenmengen aus vielen unterschiedlichen Quellen, die sinkenden Kosten für das Sammeln, Speichern und Verarbeiten dieser Daten und die zunehmende Leistungsfähigkeit verschiedener Analysetechniken stehen im Zentrum der sogenannten „Big-Data-„Technologie. Big Data wird in unterschiedlichen, gesellschaftlich und wirtschaftlich relevanten Bereichen eingesetzt: zur Förderung wichtiger Forschungsprojekte im Bereich Medizin und Gesundheitsversorgung, für Modelle, die die Auswirkungen des Klimawandels wie den Anstieg des Meeresspiegels abbilden oder zur Unterstützung von Regierungsbehörden bei der Aufklärung von Betrugsfällen.

Aber wie jede neue Technologie wirft auch Big Data große Fragen auf. Wie beeinflussen diese großen Datenmengen das Kräfteverhältnis zwischen Bürger und Staat, Kunde und Unternehmen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber? Reichen bestehende Datenschutzvorgaben aus, um sensible personenbezogene Daten in der Welt von Big Data zu schützen?

Im Januar sprach Präsident Obama im US-Justizministerium darüber, wie ein Gleichgewicht zwischen der Sicherheit der Amerikaner und unserer Bündnispartner und unserem Bekenntnis zu Datenschutz und den bürgerlichen Freiheiten geschaffen werden kann. Er kündigte mehrere wichtige Reformen der signalerfassenden Aufklärung der Vereinigten Staaten an und bekräftigte sein langjähriges Engagement für eine intensive öffentliche Debatte über diese Themen. Der Präsident appellierte außerdem an sein nationales Sicherheitsteam, mit den Kollegen im Ausland zusammenzuarbeiten, um unsere wichtigsten Beziehungen zu stärken, Koordination und Kooperation zu intensivieren und Vertrauen wiederaufzubauen.

Gleichzeitig bat mich Präsident Obama, der erkannt hat, dass sich diese Herausforderungen nicht auf die Nachrichtendienste beschränken, in Zusammenarbeit mit hochrangigen Regierungsvertretern eine 90-tägige Überprüfung von Big Data und des Datenschutzes durchzuführen. Das Ziel war, festzustellen, wie Big Data die Art und Weise verändert, wie wir heute leben und arbeiten und mit anderen, mit dem Staat und mit Unternehmen interagieren. Am 1. Mai haben wir dem Präsidenten unsere Untersuchungsergebnisse vorgelegt.

Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Big Data tief greifende Auswirkungen auf fast alle Bereiche menschlichen Schaffens haben wird, öffentlich oder privat, persönlich oder kommerziell. Wir sind der Meinung, dass Big Data zielgerichtete und fortlaufende Gespräche darüber erforderlich macht, wie die Privatsphäre in einer sich schnell verändernden Technologie-Landschaft am besten zu schützen ist. Wir haben konkrete Schritte für die Unterstützung des Consumer Privacy Bill of Rights unternommen, eines bahnbrechenden Vorschlags von Präsident Obama aus dem Jahr 2012 zur gesetzlichen Verankerung von Datenschutzmaßnahmen für das digitale Zeitalter.

Das Internet macht nicht an Landesgrenzen Halt, und auch die Chancen und Herausforderungen durch Big Data sind international. Während unserer Überprüfung haben wir das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und uns mit mehreren internationalen Partnern getroffen, unter anderem mit Vertretern von Datenschutzbehörden aus Frankreich, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, der Europäischen Union, Kanada und Mexiko, mit Akademikern aus aller Welt und mit internationalen Nichtregierungsorganisationen.

Datenschutz hat auf der ganzen Welt einen hohen Stellenwert. Deshalb empfehlen wir in unserem Bericht, die Schutzmaßnahmen des Datenschutzgesetzes von 1974 anzuwenden, das regelt, wie Bundesbehörden personenbezogene Daten sammeln, nutzen und verbreiten. Wir empfehlen, sie soweit durchführbar auf alle nichtamerikanischen Staatsbürger anzuwenden oder alternative Datenschutzmaßnahmen zu entwickeln, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit angemessene und sinnvolle Schutzmaßnahmen auf personenbezogene Daten anwenden.

Die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Partner respektieren die Privatsphäre ihrer eigenen Staatsbürger und der Bürger anderer Länder. Bei ihrem Treffen im März bekräftigten Präsident Obama und führende Politiker der EU ihr Engagement in diesem Bereich. Gemeinsam wollen wir sicherstellen, dass die richtigen Vorschriften zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre existieren, damit wir alle in den vollen Genuss der Vorteile kommen, die die modernen Technologien bieten. Um sicherzustellen, dass Bürgerinnen und Bürger auf beiden Seiten des Atlantiks Zugang zum internationalen Handelsverkehr haben, der unser modernes Leben bereichert, setzen sich die Vereinigten Staaten und die EU gemeinsam für die Anwendung von Standards und mehr Transparenz bei Datentransfers ein. Unsere Strafverfolgungsbehörden können unsere Bürger besser schützen, wenn sie zusammenarbeiten. Deshalb sind unsere führenden Politiker entschlossen, die Verhandlungen über ein sinnvolles und umfassendes Datenschutzabkommen für die polizeiliche und gerichtliche Zusammenarbeit, einschließlich der Terrorismusbekämpfung, zu beschleunigen.

Die Regierung Obama bekennt sich weiter zu einem offenen, kompatiblen, sicheren und verlässlichen Internet – und zur Nutzung des innovativen Potenzials der Big-Data-Technologien. Big Data kann Versorgungsunternehmen helfen, die Energienachfrage im Stromnetz zu überwachen und vorherzusagen. So kann die Effizienz gesteigert und die Gefahr von Stromausfällen reduziert werden. Big Data unterstützt die Instrumente zur Entzifferung des menschlichen Genoms und treibt die BRAIN-Initiative der Regierung voran, deren Ziel ein erheblich besseres Verständnis des menschlichen Gehirns ist. Unseres Erachtens ist es unverzichtbar, die Vorteile von Big Data für die Öffentlichkeit zu maximieren und gleichzeitig die Gefahren für die Privatsphäre und andere Werte möglichst gering zu halten.

Um diese Ziele zu erreichen, ist es erforderlich, die Auswirkungen neuer Technologien auf den Datenschutz ständig neu zu bewerten. Ich bin überzeugt, dass wir unsere gemeinsamen Werte im Bereich des Datenschutzes in einer sich schnell verändernden Welt durch aktive und dauerhafte Zusammenarbeit mit unseren internationalen Partnern erfolgreich schützen können.

Der Autor

John Podesta ist Berater von US-Präsident Barack Obama. Der Beitrag erschien unter anderem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der französischen Le Monde.

Subscribe to our newsletters

Subscribe