Trotz rückläufiger Zahlen bleibt Spielsucht ein gesellschaftliches Problem in Deutschland – bis zu 676.000 Menschen gelten als „pathologische Spieler“. Vor allem junge Männer zieht es in Spielhallen – und mit steigender Tendenz an Börsen für illegale Sportwetten.
Laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nehmen immer weniger Menschen in Deutschland an Glücksspielen teil. Während vor drei Jahren noch 40,2 Prozent aller Befragten in den letzten 12 Monaten ihr Glück beim Lotto oder an einem Automaten versuchten, sank der Anteil im vergangenen Jahr auf 37,7 Prozent. Erstmals seit Beginn der Studie verzeichneten auch die Spielhallen weniger Zocker den Spielautomaten. Neben illegalen Sportwetten bergen Spielautomaten das größte Suchtrisiko.
Einer Hochrechnung des Bremer Suchtforschers Gerhard Meyer zufolge bilden die Automatenspieler mit Abstand die größte Betroffenengruppe der bundesweit 1.320 Suchtberatungsstellen. Hauptrisikogruppen sind laut BZgA junge Männer bis 25 Jahre, Migranten und Menschen mit niedrigem Bildungsstatus.
Ein problematisches oder pathologisches Glücksspielverhalten weisen laut BZgA-Studie 0,79 Prozent der Befragten auf, das entspricht in etwa 308.000 bis 676.000 Personen. Ein „problematisches“ Spielverhalten gilt als missbräuchliche Nutzung des Glücksspiels und ist gekennzeichnet durch „deutliche glücksspielbedingte Probleme“, noch vor der Schwelle zu einer klinischen Diagnose. Ist diese Grenze überschritten und weist der Spieler krankhafte psychologische oder psychosomatische Probleme auf, spricht man von „pathologischen Spielern“.
Warum Menschen spielsüchtig werden
An Spielsucht erkranken können Menschen aller Altersstufen. Laut dem Klinikbetreiber Allgemeinen Hospitalgesellschaft leiden Betroffene häufig unter einem geringen Selbstwertgefühl oder einer so genannten „Broken-Home-Situation“, die durch Trennung der Eltern, Tod eines Familienmitglieds, oder durch Missbrauchserfahrungen im Kindheitsalter hervorgerufen werden kann. Weitere Ursachenfaktoren sind soziale Probleme, Störungen der Gefühlsregulation oder Angst vor Versagen.
Laut AHG besteht die Gefahr beim Glücksspielen darin, dass sich Betroffenen kurzfristig ihr Selbstwertgefühl steigern und ihren Gefühlshaushalt besser kontrollieren: Positive Gefühle können erzeugt (beim Gewinnen), negative Gefühle (beim Verlieren) durch Weiterspielen kurzfristig kompensiert werden.
Die Folgen der Spielsucht können dramatisch sein, warnt die AHG: Schuldgefühle, Depression, familiäre und berufliche Konflikte, bis hin zu Verschuldung, Kriminalität und Selbstmordversuchen.
Ausweitung des staatlichen Glücksspielmonopols?
Der SPD-Abgeordnete Burkhard Blienert sieht die Ursachen für Spielsucht auch in den Angeboten der Glücksspielindustrie und in den politischen Rahmenbedingungen verankert. Die Abhängigkeit der Spieler sei die Folge eines „kranken Systems“, das den Menschen vorgaukle, „ohne große Mühen und in kurzer Zeit größtmöglichen finanziellen Erfolg zu erzielen“, schreibt Blienert in der aktuellen Ausgabe der Gesellschaftspolitischen Kommentare (gpk). Der volkswirtschaftliche Schaden aufgrund von Arbeitsausfällen liege allein bei den Krankenkassen bei 500 Millionen Euro pro Jahr.
Blienert fordert daher, dass der Staat auch bei gewerblichen Spielautomaten in Spielhallen und der Gastronomie stärker einschreite, die bislang unter die Zuständigkeit der Länder fallen. Der Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahr 2012, der aufgrund von Übergangsfristen erst im nächsten Jahr vollumfänglich zu wirken beginnt, solle durch eine neue Regelung ersetzt werden, die sämtliche Automaten unter das staatliche Glücksspielmonopol stellen, so der SPD-Politiker.
Problem der illegalen Anbieter
Die Glücksspielanbieter halten wenig von solchen Vorstößen. Dem Vorsitzenden der deutschen Automatenindustrie, Georg Stecker, geht bereits die 2017 eintretende Regulierung zu weit. Während man bei Sportwetten „die Schleusen öffnet“ und Online-Casinos „faktisch unbegrenzt tätig“ sein könnten, hole der Staat bei den legalen Spielhallen zum „willkührlichen Kahlschlag“ aus. Insbesondere der geforderte Mindestabstand von 500 Metern zwischen den Hallen sei an „Absurdität“ und „Willkür“ nicht zu überbieten.
Das Problem sieht Stecker vielmehr in den zahlreichen illegalen Anbietern auf dem Markt, die keiner Qualitätsprüfung unterliege und somit auch die Prävention gegen Spielsucht unterlaufe. Im Gegensatz dazu sei das Angebot der gewerbsmäßigen Betreiber ein „legales und spielerschützende Spiel“, das in geschützten Spielhallen mit ausgebildetem Personal stattfinde und von unabhängigen TÜV-Organisationen zertifiziert werde.
Auch das Problem pathologischer Spieler nehme der Verband „sehr ernst“. Neben Info-Nummern der BzgA in den Frontscheiben der Spielautomaten habe man mit der Universität einen Fragekatalog entwickelt, bei dem sich Spieler auf mögliches Suchtverhalten testen könnten.