In Hessen treten in wenigen Monaten die Änderungen des Spielhallengesetzes in Kraft. Viele Betreiber stehen vor dem Aus. Die Kommunen befürchten eine Klagewelle – trotz klarer Kriterien des Ministeriums.
Jetzt liegt es an den Kommunen. Anhand eines Kriterienkatalogs des hessischen Wirtschaftsministeriums müssen die hessischen Behörden entscheiden, welche Spiehallen auch nach dem 30. Juni 2017 weiter betrieben werden dürfen und welche nicht. Laut Frankfurter Rundschau rechnet die Stadt Frankfurt damit, dass von etwa 170 Betrieben weniger als die Hälfte übrig bleiben.
Mit dem Spielhallengesetz aus dem Jahr 2012, das nun in Hessen in Kraft tritt, will die Politik in erster Linie den Schutz der Süchtigen verbessern. An die 20.000 Menschen gelten in dem Bundesland nach Einschätzung der Hessischen Landesstelle für Suchtfragen (HLS) als krankhaft spielsüchtig. Und vor allem Spielautomaten seien mit einem erhöhten Risiko der Abhängigkeit verbunden, argumentiert die Drogenbeauftrage der Bundesregierung, Marlene Mortler. „Gerade die 18- bis 20-Jährigen spielen heute mehr als noch vor wenigen Jahren“, so Mortler in der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Um Spieler wirkungsvoll zu schützen, müssen wir rechtsfreie Räume vermeiden und die bestehenden Regelungslücken schnellstmöglich schließen.“
Scharfer Kriterienkatalog
Bei ihrer Entscheidung, welche Spielhalle geschlossen werden muss, können sich die hessischen Kommunen auf Negativkriterien beziehen. Wenn eine dieser Kriterien zutrifft, wird die Lizenz zur Jahresmitte entzogen. Unter anderem bedeutet das: keine Mehrfachspielhallen, ein vorhandenes Sozialkonzept und ein Mindestabstand von 300 Metern.
Gibt es also mehrere, legale Spielhallen in einem 300-Meter-Radius, so kann nur noch einer davon eine Lizenz erteilt werden. „In diesen Fällen ist ein Auswahlverfahren durchzuführen,“ heißt es in den Ausführungsbestimmungen des hessichen Spielhallengesetzes. „Die Aufgabenstellung ist anspruchsvoll“, so ein Sprecher des Ordnungsamtes gegenüber der FR. Man ist bemüht, die Entscheidungen gerichtsfest zu machen. Denn in den Kommunen befürchtet man, dass einige Betreiber gegen die Entscheidungen juristisch vorgehen werden.
Eine ähnliche Regelung wie in Hessen gibt es bereits in Berlin. In der Hauptstadt liefen am 31. Juli vergangenen Jahres alle Lizenzen aus, neue Konzessionen erhielten Betreiber unter anderem nur dann, wenn zur nächsten Spielhalle 500 Meter Abstand bestand. Derartige Regelungen könnten allerdings mit EU-Recht kollidieren. „Konkret gibt es keine Richtlinie, allerdings gelten bei uns auch die verbindlichen Grundsätze der Niederlassungsfreiheit und der Arbeitnehmerfreizügigkeit“, sagt Georg Stecker, Vorstandssprecher der Deutschen Automatenwirtschaft. „Wenn hier gegen diese Grundsätze verstoßen wird, dann hat das eine europarechtliche Dimension. Wir als ein Wirtschaftsverband sehen eine solche Entwicklung sehr kritisch.“
Fraglicher Nutzen
Ob die Gesetzesänderungen außerdem den gewünschten Effekt, nämlich den Schutz von Spielsüchtigen und die Bekämpfung illegalen Glücksspiels, zeitigt, bleibt fraglich. So meint Tilman Becker, Leiter der Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim, Anbieter illegaler Glücksspiele in Deutschland hätten weiter gute Chancen, straffrei zu bleiben. Viele Anbieter von Online-Sportwetten haben demnach keine Konzessionen und bieten verbotene Casinospiele an – geduldet von der Glücksspielaufsicht.
Während in manchen Bundesländern jede zweite Spielhalle vor dem Aus aus steht, hätten viele Anbieter von Online-Sportwetten laut Becker keine Konzession und böten auch die komplett verbotenen Online‐Casinospiele an.