Ob EU-Armee oder gemeinsame EU-Sicherheitspolitik – in Österreich beruft man sich immer gern auf das Neutralitätsprinzip. Kritiker fordern ein Umdenken.
Die Neutralität, 1955 vom österreichischen Nationalrat eigenständig und unabhängig vom Staatsvertrag beschlossen, ist gewissermaßen zum Bestandteil der österreichischen Identität geworden. Laut jüngsten Umfragen bekennen sich heute neun von zehn Österreichern zur gemeinsamen eigenstaatlichen Existenz, die stark vom neutralen Status geprägt wird. Zur Zeit der Unterzeichnung des Staatsvertrages waren es nur 50 Prozent.
Der sicherheitspolitische Direktor im Außenministerium in Wien, Gerhard Jandl, hat sich nun in einem Statement für eine „nüchterne, realistische Betrachtung losgelöst von quasi-transzendenten Gedanken“ ausgesprochen.
NNeutralität aber keine politischer Äqudistanz
Die verfassungs- und völkerrechtlichen Daten sind dabei, so Jandl, völlig klar: Das Neutralitätsgesetz verbietet die Mitgliedschaft in militärischen Bündnissen und die Errichtung militärischer Stützpunkte fremder Staaten. Völkerrechtlich ist klar geregelt, dass dem Neutralen die Teilnahme, auch die indirekte Teilnahme, an Kriegen (im völkerrechtlichen Sinn) verboten ist. „Von einem Neutralismus, der für politische Äquidisianz etwa zwischen einem Angreifer und einem Angegriffenen plädieren würde, ist allerdings nirgendwo die Rede“, so Jandl.
Der Diplomat erinnert zudem daran, dass Österreich anlässlich des EU-Beitritts nicht nur keinen Neutralitätsvorbehalt erklärt, sondern sich auch ausdrücklich verpflichtet hat, die Entwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) voll mitzutragen. Daher wurde sogar im Bundes-Verfassungsgesetz ein eigener Artikel geschaffen, der dies ermöglicht.
Österreich darf kein Trittbrettfahrer sein
Jandl hebt hervor, dass Österreich mit der NATO ohnedies bereits seit langem – wie viele andere neutrale und bündnisfreie Staaten – durch zahlreiche Partnerschaftsprogramme verbunden ist. Zum Beispiel stellte man nach dem Ende des Bürgerkriegs in Jugoslawien ein Kontingent für die so genannten NATO-Friedenstruppen, um den Konflikt in Bosnien-Herzegowina zu beenden.
Jandl fordert nun, sich ernsthaft mit wichtigen Fragen einer gemeinsamen, von allen EU-Staaten getragenen Sicherheitspolitik auseinanderzusetzen. Dazu sei ein aktives und zukunftsgerichtetes Mitwirken im Rahmen der EU und als Partner der NATO notwendig. „Österreich muss als außenpolitischer Akteur weiterhin ernst genommen und nicht als Trittbrettfahrer abqualifiziert werden“, erklärt Jandl. „Die Neutralität wird mit ihrem Kerngehalt wohl bestehen bleiben, darf uns aber nicht hindern, die gebotene Solidarität mit unseren Partnern zu üben.“