Lettland, Litauen und Polen schneiden EU-weit in Sachen LGBTI-Gleichberechtigung am schlechtesten ab, zeigt ein Index der Organisation ILGA für Homosexuellenrechte. EURACTIV Brüssel berichtet.
Am gestrigen Dienstag veröffentlichte ILGA (International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association) ihren diesjährigen Regenbogen-Index für Europa. Darin untersuchten Experten die Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen (LGBTI) in Europa, basierend auf der länderspezifischen Rechtslage und deren Einfluss auf das Alltagsleben. Dann erstellten sie den Ergebnissen entsprechend eine Rangfolge der 49 untersuchten europäischen Länder.
Nur drei EU-Staaten, Malta, Belgien und Großbritannien, erfüllen mehr als 80 Prozent der ILGA-Kriterien für Rechtsgleichheit. Malta erhielt großes Lob für sein Gesetz zu Gender-Identität, Gender-Ausdruck und Gender-Charakteristika (GIGESC), das die körperliche Unversehrtheit, Autonomie und Selbstbestimmung von Einzelpersonen schützen soll. „Es wurde sofort international zum leuchtenden Beispiel und Motor für viele andere wichtige Initiativen: zum Beispiel eine weitreichende Bildungspolitik für gender-abweichende, trans- und intersexuelle Kinder sowie ein umfassender LGBTI-Aktionsplan“, betont ILGA in der Auswertung.
Die schlechtesten Ergebnisse fahren einige der neusten EU-Zugänge ein – baltische und osteuropäische Staaten. Lettland, Litauen und Polen erreichen nicht einmal 20 Prozent. Für manche überraschend: Auch Italien liegt als EU-Gründungsmitglied mit 20 Prozent weit unten im Ranking.
Lettland sei unter anderem deshalb auf dem letzten Platz, weil man dort im Rahmen des Bildungsgesetzes eine sogenannte „Moralklausel“ in die Lehrpläne integriert habe, erklärt ILGA. Etwas positiver schlägt sich die Ausrichtung der EuroPride 2015 in der Hauptstadt Riga nieder. Es war das erste Mal, dass ein ehemaliges Mitglied der Sowjetunion diese internationale LGBTI-Veranstaltung organisierte und wurde als historischer Erfolg gefeiert. Auch in Litauen fanden 2015 viele LGBTI-freundliche Events statt. Der Bürgermeister von Vilnius will 2016 sogar zum ersten Mal das Gay Pride Festival in seiner Stadt ausrichten. In beiden baltischen Staaten zeigen Meinungsumfragen jedoch, dass die Gleichstellung von LGBTI-Bürgern noch immer die Gemüter spaltet.
Entgegen allgemeiner Annahmen sei die Gleichberechtigung der LGBTI-Gemeinschaft in Europa noch alles andere als unter Dach und Fach, warnt Evelyne Paradis, Exekutivdirektorin von ILGA Europe. „Das Bild ist zur Zeit sehr gemischt: Viele Regierungen, die vor einigen Jahren noch Vorreiter bei der Gleichberechtigung von LGBTI-Bürgern waren, haben ihre Anstrengungen zurückgeschraubt – vor allem, wenn es um neue Standards geht“, so Paradis in einer Erklärung.
Insgesamt stehen die EU-Mitgliedsstaaten beim LGBTI-Rechtsschutz noch immer weit vorn. Dennoch könne Europa nicht länger von sich behaupten, Nummer Eins in Sachen LBGTI-Rechten zu sein, wie das vor 10 bis 15 Jahren vielleicht noch der Fall gewesen sei, unterstrich Paradis im Dezember in einem EURACTIV-Interview. Manche Mitgliedsstaaten würden sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, während andere ihr zufolge sogar Rückschritte gemacht hätten. Die ILGA-Direktorin übt darüber hinaus auch scharfe Kritik an der EU-Kommission und ihrem Vizepräsidenten Frans Timmermans, der unter anderem für die Grundrechte in der EU zuständig ist. Man habe nicht genug getan, um gegen homophobe und transphobe Gewalt zu kämpfen.