Das EU-Parlament will die kleinen Diplomatengruppen im Kampf gegen Online-Propaganda aus Russland und vom Islamischen Staat (IS) mit mehr Geld und Personal ausstatten. EURACTIV Brüssel berichtet.
Die EU-Abgeordneten entschieden am gestrigen Mittwoch in einer Abstimmung, dem ein Jahr alten EU-Programm gegen russische Propaganda eine Finanzspritze zu verpassen. Es macht auf Falschinformationen im Internet aufmerksam und entkräftet die Behauptungen über den eigenen Social-Media-Account. Auch wenn die aktuelle Entscheidung nicht verbindlich ist, signalisiert sie doch die wachsende Bereitschaft, gegen die Verbreitung von Fake-News und Propaganda in sozialen Netzwerken vorzugehen. Nur einen Tag vor der Abstimmung hatten der scheidende US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel öffentlich vor Falschnachrichten gewarnt, die in sozialen Netzwerken kursieren.
Im Zentrum der Kritik steht Facebook – insbesondere wegen seines Algorithmus, der Beiträge filtert und den Nutzern Inhalte basierend auf ihren bisherigen Aktivitäten und Kontakten zeigt. „Immer mehr Menschen kommunizieren in Blasen, in einer Umgebung, die die eigene Meinung widerhallt – vor allem auf Facebook“, betont ein in das EU-Programm involvierter Vertreter. Nächstes Jahr wird die EU-Kommission untersuchen, wie Social-Media-Unternehmen Algorithmen nutzen, um Beiträge interessenbasiert anzuzeigen. Außerdem erwäge die EU-Institution, neue Vorschriften einzuführen, die das Filtern von Informationen in sozialen Netzwerken ändern, wie EURACTIV letzten Monat im Gespräch mit einem Kommissionsvertreter erfuhr.
Propagandafalle
Die beiden auszuweitenden Arbeitsgruppen konzentrieren sich auf russische und IS-Propaganda. Es könne sich lohnen, weitere Programme gegen Falschnachrichten im Netz einzurichten, unterstrich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am 22. November den Europaabgeordneten gegenüber in einer Debatte. „Es wäre interessant, dieses Thema aus der EU heraus zu beleuchten.“
Die Mitglieder der Arbeitsgruppen sehen ihre Arbeit als Möglichkeit, Internetnutzer vor falschen Beiträgen zu warnen. Gleichzeitig sind sie sich des Risikos bewusst, dass ihr Eingreifen die Verbreitung ungewollter Nachrichten verstärken könnte. Ein Vertreter erklärt, dass man die sozialen Netzwerke im Rahmen des Programms gegen russische Propaganda nicht auffordern kann, Falschinformationen zu löschen. „Es ist nicht illegal, etwas zu sagen, das nicht stimmt“, gesteht er.
In den vergangenen Wochen nahm die Kritik an Social-Media-Unternehmen immer weiter zu. Der Grund: Es kamen zunehmen Beispiele von politischen Falschnachrichten ans Licht, die gerade vor den US-Wahlen weite Kreise zogen.
Bundeskanzlerin Merkel deutete am gestrigen Mittwoch an, ihre Regierung werde regulierend eingreifen, denn Fake-News könnten Meinungsbilder verfälschen. Man müsse alles tun, um „Hassreden, Hasskommentare, vernichtende und mit der Menschenwürde nicht in Übereinstimmung zu bringende Dinge anzusprechen und […] zu unterbinden“. Deutschland sei stärker als jedes andere europäische Land von russischer Online-Propaganda betroffen , bestätigt ein Mitglied der EU-Arbeitsgruppe. Viele Kommentare sollen sich gegen Merkel persönlich gerichtet haben.
Über das letzte Jahr hinweg gab es EU-Vertretern zufolge immer häufiger Falschnachrichten aus Russland – teilweise sogar in 20 verschiedenen Sprachen. Ihr Ziel sei es meist, die EU in Verruf zu bringen. Ein aktueller, von den Diplomaten als falsch gekennzeichneter Beitrag behauptet, Belgien hätte syrische Zivilisten bombardiert. Er machte die Runde, nachdem führende EU-Politiker Russland für seine Luftangriffe auf Aleppo kritisiert hatten. Auch im Vorfeld der bedeutenden Volksentscheide in den Niederlanden und Großbritannien kursierten laut EU-Vertretern zahlreiche Fake-News aus Russland im Netz.