Der Weltwassertag am 22. März stand dieses Jahr unter dem Motto „Wasser und Energie“ und machte sich für die Energieversorgung der „untersten Milliarde“ der Menschheit stark.
Fortschritte bei der Wasserversorgung
2012 warteten UNICEF / WHO mit der spektakulären Nachricht auf: das Millenniumsziel zur Trinkwasserversorgung sei bereits 2010 erreicht worden. Fünf Jahre vor der gesetzten Frist wurden zwei Milliarden Menschen mehr versorgt als im Vergleichsjahr 1990. Dennoch müssen heute immer noch 780 Millionen Menschen ohne hygienisch einwandfreies Trinkwasser auskommen und rund 2,5 Milliarden haben keine Sanitärversorgung – hier wird man das Millenniumsziel weit verfehlen. Die Sustainable Development Goals (SDG) müssen deshalb vor allem Ziele für die Sanitärversorgung festschreiben und verfolgen.
Und bei der Stromversorgung?
Obwohl 1,4 Milliarden Menschen ohne Strom leben, war die Energieversorgung kein Millenniumsentwicklungsziel. Über die genauen Zahlen mag man sich streiten, über das eigentliche Ausmaß des Problems allerdings nicht: Alleine in Afrika hat circa eine halbe Milliarde Menschen keinen Anschluss an Elektrizität. Die Anschlussraten variieren stark: in den nordafrikanischen Ländern und in Südafrika erreichen sie fast 100 Prozent; in den Ländern Subsahara-Afrikas liegen sie bei 3,5 Prozent im Tschad und zwischen 50 und 60 Prozent im Senegal, Ghana und der Elfenbeinküste, um nur einige zu nennen.
Die Initiative Sustainable Energy for All (SE4All), 2011 von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ins Leben gerufen, griff diese Unterversorgung auf und formulierte drei globale Ziele: (1) allgemeinen Zugang zu modernen, sauberen Energiequellen ermöglichen; (2) die Energieeffizienz verdoppeln und (3) den Anteil der erneuerbaren Energien am globalen Energiemix von 18 (2010) auf 36 Prozent (2030) verdoppeln. Die SE4All setzt sich für die städtische und ländliche Elektrifizierung ein und für den Ausbau der nationalen Stromnetze und netzunabhängige, dezentrale Lösungen. Die geschätzten jährlichen Investitionskosten dafür würden zwischen 600 und 800 Milliarden US-Dollar über dem jetzigen Investitionsniveau von 400 Milliarden US-Dollar/Jahr (2010) betragen.
Die Afrika-EU-Energiepartnerschaft
Da Wasserkraftwerke andere erneuerbare Energien strategisch ergänzen, indem sie Energie nur zu Spitzenbedarfszeiten produzieren und ansonsten Energie speichern, zum Beispiel in Pumpspeicherkraftwerken, wird Wasserkraft neben der Wind- und Solarenergie auch von der Afrika-EU-Energiepartnerschaft (AEEP) als ein Baustein in der Transformation hin zu kohlenstoffarmen Ökonomien gefördert: „They [hydropower] remain by far the most important renewable technology on the continent and there is huge potential left to exploit….“ Die Mehrzahl der erneuerbaren Energieprojekte in fünfzehn Ländern Subsahara-Afrikas sind nach dem letzten Statusbericht der AEEP Wasserkraftprojekte. Ein beträchtlicher Zuwachs wird von neun großen Wasserkraftwerken erwartet, die bereits in dem Programm für Infrastrukturentwicklung (PIDA) der Afrikanischen Union festgeschrieben wurden. Die AEEP vereinbarte im Afrika-EU-Kooperationsprogramm, zusätzliche 10.000 Megawatt Leistung zu installieren, und das nicht ohne zu betonen, dass soziale und Umweltstandards beachtet werden müssen.
Daran aber hapert es, und zweifelhaft ist überdies, ob diese Mega-Wasserkraftwerke der ländlichen Elektrifizierung dienen. Im Klartext: es geht um Eingriffe in Flussökosysteme mit oft irreversiblen Folgen, auch für die Fischerei und andere Ressourcen, die von lokalen Gemeinschaften genutzt werden. Es geht aber auch um Zwangsumsiedlungen, Landenteignungen, um nicht angemessene beziehungsweise nicht gezahlte Entschädigungen und um Umsiedlungsplanungen, die diesen Namen bisher nicht verdienen. Es ist nicht hinnehmbar, dass nur eine Gruppe der Gesellschaft die Kosten von Klimaschutz- und Elektrifizierungsprogrammen trägt. Investitionen in die Wasserkraft dürfen nicht dazu führen, dass diese Gruppe in die Armut abrutscht – doch das Risiko besteht.
Zwischen volkswirtschaftlichen Zielen (Energieversorgung, Klimaschutz) und den Interessen der lokalen Bevölkerung muss ein gerechter Nutzenausgleich (Benefit Sharing) angestrebt werden. So wie Unternehmen auf Anreize reagieren und Garantien gegen Risiken verlangen, so braucht auch die betroffene Bevölkerungsgruppe Anreize und Absicherungen. Dazu gehören über faire Kompensationszahlungen hinaus Benefit-Sharing-Konzepte: Einnahmen aus Stromverkäufen können langfristig über Entwicklungsfonds die lokale Wirtschaft fördern; die betroffenen Haushalte sollten auf jeden Fall elektrifiziert werden und der lokalen Bevölkerung und den lokalen Unternehmen könnten außerdem Vorzugstarife gewährt werden.
Umfassende Umweltverträglichkeitsprüfungen und Umweltmanagementpläne, faire Kompensationszahlungen und Benefit-Sharing-Konzepte müssen gängige internationale Praxis werden. Dafür sollte sich die Afrika-EU-Energiepartnerschaft einsetzen.
Waltina Scheumann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ines Dombrowsky Abteilungsleiterin der Abteilung Umweltpolitik und Ressourcenmanagement des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). Das DIE mit Sitz in Bonn zählt weltweit zu den führenden Forschungsinstituten und Think Tanks zur internationalen Entwicklungspolitik. Der Beitrag erschien in der Reihe „Die aktuelle Kolumne„. (Fotos: DIE)