Berlin blockiert strengere Klimaauflagen für Autohersteller

Haben sich erfolgreich mit ihren Forderungen zugunsten der deutschen Autoindustrie durchgesetzt: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Peter Altmaier. Foto: dpa

Teilerfolg für die Bundesregierung: Nach monatelangem Tauziehen in Brüssel will die EU den Entwurf über strengere Abgasnormen für PKWs neu aufrollen. In wenigen Wochen soll ein neuer Kompromiss stehen.

Im Streit um strengere CO2-Grenzwerte für Autos ab 2020 haben die EU-Umweltminister nach einem gemeinsamen Treffen in Brüssel am Montag eine Entscheidung vertagt. Damit gaben sie dem Druck aus Berlin nach: Die Bundesregierung hatte stets eine Einigung blockiert, aus Sorge um Arbeitsplätze in der deutschen Autobranche.

"Wir haben eine gute Chance, dass diese Richtlinie innerhalb der nächsten Wochen verabschiedet wird", sagte Bundesumweltminister Peter Altmeier nach dem Treffen. Er rechtfertigte die Haltung der Bundesregierung, die sich für laxere Klimaschutzauflagen für Oberklassewagen ausspricht: Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren eine Vorreiterrolle im Umweltschutz übernommen, sagte der Minister.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich bereits im Sommer gegen einen Kompromiss gesperrt, der zwischen Kommission, EU-Parlament und den meisten Mitgliedstaaten im Juni ausgehandelt worden war und strengere Abgasnormen für PKWs ab 2020 vorsah. Der EU-Kompromiss sieht vor, dass ab 2020 Neuwagen im europäischen Schnitt nur noch 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen dürften.

Einem Entwurf zufolge will die Bundesregierung die Hersteller erst vier Jahre später auf dieses Ziel festlegen, was vor allem den Oberklasse-Herstellern Daimler, BMW und Audi zugute käme. Zudem fordert sie im Sinne der deutschen Autoindustrie eine großzügige "Supercredits"-Regelung: Dabei erhalten die Autobauer eine Art "CO2-Rabatt" auf besonders emissionsarme Elektroautos und Hybridfahrzeuge. 

Opposition: Kanzlerin ist "dreist" und "rücksichtslos"

"Es ist dreist, dass die vermeintliche Klimakanzlerin Merkel und ihre Regierung eine fertige Abmachung immer wieder verschieben", sagte Matthias Groote, SPD-Europaabgeordneter und Vorsitzender des Umweltausschusses. "Wir haben bereits im Juni ein gutes Abkommen ausgehandelt. Deutschland hat die Chance, sich als technologisches und innovatives Land hervorzutun. Die neuen Normen sollten Anreize für alternative Antriebe liefern, die wenig oder gar kein CO2 ausstoßen, wie beispielsweise elektronisch betriebene Motoren."

Auch Rebecca Harms, Vorsitzende der Fraktion Grüne/EFA im EU-Parlament, kritisierte die Kanzlerin: "Angela Merkel setzt sich rücksichtslos über das demokratische Gesetzgebungsverfahren hinweg. Um Unterstützung gegen die CO2-Regulierung für Autos zu sammeln, droht die Bundesregierung einigen Mitgliedsstaaten – anderen verspricht sie Unterstützung für deren Ziele als Gegenleistung. Wenn ein paar Telefonate von Kanzlerin Merkel ausreichen, um einen Kompromiss, der zwischen Parlament und Ratspräsidentschaft geschlossen wurde, zu Fall zu bringen, wird das gesamte Gesetzgebungsverfahren zur Farce."

"Balance zwischen Klimaschutz und Industriepolitik"

Rückenwind bekommt die Bundesregierung von Dieter Zetsche. Der Daimler-Vorstandschef warnte davor, den Grenzwert von 95 Gramm nach 2020 noch weiter zu senken, wie es dem Parlament vorschwebt. Grenzwerte dürften nicht länger politisch festgelegt werden ohne Rücksicht auf die technischen Möglichkeiten oder das Verhältnis von Aufwand und Nutzen. Durch zu strengen Klimaschutz sei das Wachstum langfristig in Gefahr, befürchtet auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger. "Wer Arbeitsplätze hier halten will und von hier exportieren will, muss immer eine Balance wahren zwischen Klimaschutz und Industriepolitik", sagte Oettinger auf einer Veranstaltung in Stuttgart.

Parlament und Kommission wollen an Juni-Kompromiss festhalten

EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard reagierte auf die Vertagung enttäuscht. Der Handlungsspielraum für eine Lockerung der Grenzwerte in den kommenden Verhandlungen sei begrenzt, für Manöver gebe nicht viel Raum, sagte sie. Thomas Ulmer, Berichterstatter des EU-Parlaments zur CO2-Richtlinie, erklärte: "Offenbar sind nur marginale Veränderungen der bereits vereinbarten Regelung vorstellbar. Für Nachverhandlungen bedarf es in jedem Fall eines neuen Verhandlungsmandats des Umweltausschusses des Europaparlaments."

EURACTIV/rtr/dsa 

Links

EURACTIV Brüssel: Germany wins backing of EU ministers to block car emissions law (15. Oktober 2013)

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